Personalmangel in der Justiz wirkt sich auf Untersuchungshaft aus

Zur Antwort der Landesregierung auf ihre Kleine Anfrage „Entlassungen aus U-Haft wegen nicht fristgerechter Terminierungen“ (Drs. 7/6359, Anlage) erklärt die rechtspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Jacqueline Bernhardt:

„Die Zahl der Verfahren, in denen das Oberlandesgericht (OLG) die Fortdauer einer Untersuchungshaft prüfen musste, ist seit 2017 sprunghaft gestiegen. Das ist ein Alarmsignal. Der Anstieg ist unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nicht hinnehmbar. Er macht auch deutlich, dass die Gerichte und Staatsanwaltschaften in Mecklenburg-Vorpommern personell nicht so ausgestattet sind, wie sie es sein müssten. Wird Anklage wegen Überlastung erst auf den letzten Drücker erhoben oder die Hauptverhandlung sehr spät anberaumt, ist programmiert, dass der kurzfristige krankheitsbedingte Ausfall von Verfahrensbeteiligten nicht mehr abgefangen werden kann. Wir brauchen mehr Personalstellen und vor allem mehr Juristennachwuchs. Bis heute hat es die Landesregierung verschlafen, in beiden Punkten effektiv gegenzusteuern. Das muss sich endlich ändern.“

Hintergrund. Eine Untersuchungshaft darf grundsätzlich nicht länger als sechs Monate dauern. Begründet ist dies einerseits damit, dass ein Verdächtiger in Untersuchungshaft formal unschuldig ist und die Untersuchungshaft entsprechend kurz sein muss. Andererseits sollen mit der Regelung Strafverfahren beschleunigt werden, um etwa zu gewährleisten, dass Zeugen zeitnah und ohne Erinnerungslücken vernommen werden können. Nur in Ausnahmefällen kann eine Fortdauer der Untersuchungshaft über die gesetzliche Frist hinaus angeordnet werden (§§ 121, 122 StPO). Geprüft wird die Anordnung durch das OLG. Waren es in den Jahren vor 2017 jährlich im Durchschnitt drei Verfahren, die das OLG zu prüfen hatte, waren es in den Folgejahren bis zu zehn. Dieser Anstieg fällt zeitlich in etwa mit dem sprunghaften Anstieg des Personaldefizits bei den Staatsanwaltschaften und ordentlichen Gerichten zusammen. Bis zum Jahre 2015 war die Personalausstattung in den Staatsanwaltschaften noch annähernd ausgeglichen, ab 2016 fehlten dem Land jedoch jährlich im Schnitt 29 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte. Bei den Gerichten sind die Zahlen nicht ganz so gravierend, aber auch hier herrscht grundsätzlich Personalmangel. Dadurch können Anklagen erst später erhoben und Hauptverhandlungen später eröffnet werden. Hinzu kommt, dass im Jahre 2020 bis auf zwei Ausnahmen (LG Schwerin und AG Pasewalk) sämtliche Gerichte der ordentlichen Gerichtsbarkeit überlastet waren und eine personelle Unterstützung anderer Gerichte nicht möglich war.