Mehr Bildung und Begegnung – für jüdisches Leben, Demokratie und Menschenwürde
Zum gestrigen fachpolitischen Austausch mit dem Beauftragten für jüdisches Leben und gegen Antisemitismus in Mecklenburg-Vorpommern, Nikolaus Voss, erklärt der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Torsten Koplin:
„Im Mittelpunkt des Gesprächs standen der Kampf gegen Antisemitismus in seinen vielfältigen Erscheinungsformen, der Schutz jüdischer Einrichtungen, die Förderung jüdischen Lebens im Alltag sowie der Ausbau erinnerungskultureller und bildungspolitischer Strukturen im Land. In Zeiten, in denen antisemitische Vorfälle zunehmen – in Schulen, im Netz, im öffentlichen Raum – ist die Arbeit von Herrn Voss wichtiger denn je. Sein Engagement für jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern ist nicht nur ein Zeichen des Respekts und der Verantwortung, sondern auch ein konkreter Beitrag zur Stärkung unserer demokratischen Kultur.
Nikolaus Voss stellte die Arbeitsfelder seines Amtes und die aktuellen Herausforderungen dar. In Mecklenburg-Vorpommern leben aktuell etwa 1100 Jüdinnen und Juden, vorrangig in Rostock und Schwerin – das entspricht weniger als 0,1 Prozent der Bevölkerung. Viele jüdische Menschen sind im Alltag weiterhin mit antisemitischen Stereotypen, Feindseligkeit und Unsicherheit konfrontiert. Die Linksfraktion unterstützt deshalb ausdrücklich die Umsetzung baulicher und personeller Schutzmaßnahmen an Synagogen und Gemeindezentren, wie sie im Rahmen des Landesaktionsplans gegen Antisemitismus festgelegtwurden. Dieser basiert auf einem breiten zivilgesellschaftlichen Beteiligungsprozess und definiert vier zentrale Handlungsfelder: die Gewährleistung der Sicherheit jüdischen Lebens, Bildungs- und Sensibilisierungsarbeit, ein verlässliches Meldesystem für antisemitische Vorfälle über die DIA.MV sowie die Stärkung der Erinnerungskultur. Nikolaus Voss betonte, dass es nicht genüge, Antisemitismus als Extremismusphänomen zu begreifen. Vielmehr müssten auch subtile, alltagsnahe und oft unbewusste Formen des Judenhasses erkannt und benannt werden.
Im Bereich Bildung begrüßt meine Fraktion insbesondere die neue landesweite Handreichung ‚Umgang mit Antisemitismus‘ für die Klassenstufen 1 bis 6, die das Ministerium gemeinsam mit dem Anne Frank Zentrum und dem IQ M-V erarbeitet hat. Sie vermittelt altersgerechte Zugänge zur Auseinandersetzung mit jüdischem Leben, zur kritischen Reflexion antisemitischer Vorurteile und zur Entwicklung empathischer, urteilsfähiger Haltungen bei jungen Kindern. Ergänzt wird dies durch Projekte wie das Programm ‚Meet a Jew‘, bei dem jüdische Jugendliche Schulklassen besuchen und über ihr Leben, ihren Alltag und ihre Erfahrungen berichten. Wissen allein reicht nicht. Begegnung ist das, was Klischees bricht und Empathie erzeugt. Ein weiteres positives Beispiel ist das ‚Fleischmann-Schabbat-Projekt‘, das an bisher zehn Schulen im Land jüdische Feste, Musik, Rituale und Essen erlebbar macht – mit dem Ziel, kulturelle Selbstverständlichkeiten zu vermitteln, statt Fremdheit zu reproduzieren.
Antisemitismusprävention ist kein Projekt auf Zeit, sondern ein struktureller Auftrag an Schule und Gesellschaft. Dazu gehört auch der verpflichtende Projekttag gegen Antisemitismus, der ab 2027 jährlich am 27. Januar – dem Tag der Befreiung von Auschwitz – in allen Schulen durchgeführt wird. Dieser Tag soll nicht nur an die Verbrechen des Nationalsozialismus erinnern, sondern auch den Blick auf heutige Formen der Ausgrenzung und Diskriminierung schärfen.
Neben der Schule spielt auch die gesellschaftliche Öffentlichkeit eine zentrale Rolle. Nikolaus Voss berichtete über kulturelle Initiativen wie die ‚Jüdischen Kulturtage‘, das Festival ‚Verfemte Musik‘ und Ausstellungen zur Vielfalt jüdischen Lebens – aber auch über die anhaltende Notwendigkeit, jüdische Friedhöfe zu pflegen und religiöse Rechte zu schützen. Wichtig sei, dass jüdische Menschen nicht auf die Rolle des Opfers oder Mahnmals reduziert werden, sondern als selbstverständlicher Teil des gesellschaftlichen Lebens anerkannt und unterstützt werden. ‚Ich will nicht mehr Erinnerung an jüdisches Leben in Deutschland – ich will mehr jüdisches Leben in Deutschland‘, zitierte Voss die Publizistin Marina Weisband.
Meine Fraktion dankt Nikolaus Voss für sein Engagement und Wirken. Wir stehen an seiner Seite – gegen Antisemitismus, gegen Geschichtsvergessenheit, gegen Gleichgültigkeit – für jüdisches Leben, Demokratie und Menschenwürde.“